Standards - Die 6 besten Freistoßvarianten
Bei der letzten Weltmeisterschaft fielen 73 der 169 Tore nach ruhenden Bällen - das sind beachtliche 43% aller Tore des Turniers. Dieser hohe Anteil an Standard-Toren hat vor allem zwei Ursachen:
1. Das Spiel gegen den Ball wird immer weiter perfektioniert (Konterabsicherungen, Gegenpressing, ausgefallene Pressingstrategien, usw.). Dadurch wird es für die Offensiven immer schwerer Treffer aus dem Spiel heraus zu erzielen, was folglich auch zu einem höheren Anteil an Toren nach ruhenden Bällen führt.
2. Den Standards wird immer mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Viele Teams entwickeln kreative Varianten für Ecken, Freistöße und Einwürfe, um sich einen Vorteil gegenüber dem Gegner zu verschaffen – beispielsweise durch gezielte Überladungen oder das Stellen von Blocks.
Experten für Standards
Die große Bedeutung der ruhenden Bälle ist natürlich nicht nur bei den Nationalmannschaften, sondern auch auf Vereinsebene angekommen. Mittlerweile haben einige Top-Teams sogar Spielanalysten, welche sich explizit auf Standards spezialisiert haben. Sie studieren zuerst das gegnerische Defensivverhalten bei Eckbällen und Freistößen. Anschließend entwickeln die Analysten kreative Lösungen, um Schwachstellen der gegnerischen Verteidigung auszunutzen oder um sich einen gedanklichen Vorsprung gegenüber dem Gegner zu verschaffen.
„Ich habe mir diese Saison mehr Standards angesehen als irgendeine andere Spielsituation!“
Nikos Overheul
Spielanalyst
Einer dieser Experten für Standards ist Nikolas Overheul. Der niederländische Spielanalyst setzt jedoch nicht nur auf seine Kreativität bei Standards, sondern auch auf „copy and paste“. Auf die Frage, wie Overheul auf neue Ideen für Standards komme, antwortete er:
„Ich stehle sie! Wenn ich etwas Interessantes sehe, speichere ich sie sofort für künftige Nutzung. Es gibt überall tolle Varianten zu finden. Ich habe sogar eine von der nordkoreanischen Nationalmannschaft übernommen!“
Inspiration für die Freistöße eurer Mannschaften
Auch wir von trainr. haben uns ausgiebig mit dem Thema kreative Standards auseinandergesetzt. Dabei sind wir auch auf sehr spannende und effektive Freistoßvarianten gestoßen, welche wir euch natürlich nicht vorenthalten wollen. In diesem Blogbeitrag stellen wir euch die 6 kreativsten Freistoßvarianten genauer vor. Diese Varianten könnt ihr selbstverständlich für euer nächstes Spiel übernehmen oder aber einfach als Inspiration nutzen.
1. Blockstellen für einen Pass in die Tiefe
In der Begegnung gegen Hertha BSC bekommt der FC Augsburg einen Freistoß im Halbraum zugesprochen. Die Berliner verteidigen auf Höhe des Strafraums mit 7 Spieler, die in einer Raumverteidigung agieren. 6 Spieler der Augsburger laufen in die „Box“ ein.
Einer der einlaufenden Spieler startet 1 Meter hinter der Verteidigungslinie der Berliner in den Raum im Rücken der 1-Mann-Mauer von Hertha BSC. Zeitgleich blockierte ein weiterer Augsburger den ballnahen Spieler der Berliner. Dadurch hat der angespielte Augsburger genug Vorsprung, um in Richtung Tor agieren zu können.
2. Ein sehr unerwarteter Laufweg
Die zweite Freistoßvariante kommt Bayer 04 Leverkusen. In einem Champions-League-Spiel gegen Zenit St. Petersburg sorgt ein geschickter Laufweg und ein platzierter Abschluss von Son zum 1:0-Führungstreffer der Werkself.
In der Ausgangssituation hat Leverkusen einen Freistoß aus zentraler Position aus einer Distanz von schätzungsweise 36 Metern. Die Entfernung ist für einen direkten Freistoß sehr groß, daher ist die naheliegendste Option wohl eher eine Flanke in Richtung des 2. Pfostens.
Heung-min Son (Spieler B) schleicht langsam in Richtung Strafraum. Leicht hinter der letzten Linie der Petersburger steht Spieler C im Abseits. Eine Positionierung, die häufig für Blocks verwendet wird. Jedoch hat Spieler C eine andere Aufgabe. Er startet kurz vor dem Ausführen des Freistoßes aus der „Box“ – ein nicht wirklich vorhersehbarer Laufweg. Freistoßschütze A spielt einen Pass zu Spieler C.
Spieler C stoppt das Zuspiel nur kurz für Son (Spieler B) ab. Dieser kann aus einer mittigen Position kurz vor dem Strafraum abschließen. Son schießt den Ball rechts oben ins Tor. In der Ausgangssituation hat Leverkusen einen Freistoß aus zentraler Position aus einer Distanz von schätzungsweise 36 Metern. Die Entfernung ist für einen direkten Freistoß sehr groß, daher ist die naheliegendste Option wohl eher eine Flanke in Richtung des 2. Pfostens.
3. Cleverer Chipball von Granada
Eine sehr interessante Freistoßvariante haben wir in der La Liga, in der Begegnung zwischen dem FC Granada und Levante UD, entdeckt.
In der Ausgangssituation hat Granada einen Freistoß im linken Halbfeld. Zwei Schützen stehen für den Freistoß bereit. Aus diesem Grund hat sich ein zweiter Spieler von Levante auf Höhe der letzten Linie mehr in Richtung Ball orientiert. Dadurch kommt es zu keinem 2 gegen 1, wenn Granada den Freistoß kurz ausführt. 4 Spieler von Granada stehen auf der rechten Seite zum Einlaufen bereit.
Um den Raum vor dem Tor möglichst groß zu machen, haben die 4 Spieler sich sehr weit außen positioniert, um die Gegenspieler mitzuziehen. Außerdem steht noch ein Spieler von Granada an der linken Außenbahn bereit. Dieser wird ebenfalls eine sehr entscheidende Rolle spielen.
Die Nummer 5 von Granada läuft für den Freistoß an, springt aber über den Ball und läuft weiter ins Zentrum.
Der zweite Spieler, welcher für den Freistoß bereit stand, spielt den Ball in den Lauf der Nummer 5. Zeitgleich startet ein Spieler von Granada aus einer etwas tieferen Position diagonal ins Zentrum. Dabei läuft er durch die Lücke zwischen zwei Spielern von Levante. Diese beiden Spieler werden in der Folge jeweils von einem weiteren Spieler von Granada geblockt.
Außerdem startet die Nummer 11 links unten Spielfeld in die Tiefe. Der Gegenspieler geht mit, wodurch die Abseitslinie weiter in Richtung Tor verschoben wird.
Die Nummer 5 von Granada chippt den Ball in den Lauf des Spielers, welcher aus einer tieferen Position gestartet ist. Durch die geschickte Verschiebung der Abseitslinie und die Blocks hat der Passempfänger genug Zeit, um aus kurzer Distanz abzuschließen.
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4. Versperrtes Sichtfeld
Bei diesem Freistoß aus aussichtsreicher Position stehen zwei Schützen bereit. Außerdem bilden drei weitere Spieler des in Gelb agierenden Teams eine Mauer vor dem Ball. Dadurch hat der Torhüter erstmal keine Sicht auf dem Ball.
Kurz vor der Ausführung des Freistoßes startet die 3-Mann-Mauer in Richtung gegnerisches Tor. Zwei Spieler laufen dabei links an der Mauer des weißen Teams vorbei. Dadurch ist für den Torhüter die Sicht auf den Ball weiterhin verstellt. Der dritte Spieler der gelben Mauer startet rechts an den weißen Verteidigern vorbei.
Der Schütze trifft halbhoch in die rechte Ecke – auch weil der Torhüter den Ball durch die drei gelben Spieler sehr spät sieht. Würde der Torhüter den Ball nach vorne abprallen lassen, hätte das gelbe Team gute Chancen den 2. Ball zu bekommen, da die drei gelben Spieler im hohen Tempo in Richtung Tor unterwegs sind.
5. Überladung am zweiten Pfosten
In der Begegnung Manchester City gegen FC Fulham bekommt die Mannschaft von Pep Guardiola einen Freistoß auf der linken Seite zugesprochen.
Die Spieler des FC Fulham verteidigen den Freistoß mit acht Spielern auf einer Linie, die nicht mann- sondern raumorientiert verteidigen. Diese ausschließliche Fokussierung auf den Raum wird dem verteidigenden Team von Fulham jedoch zum Verhängnis.
Lediglich ein Spieler von Manchester City beläuft den ersten Pfosten. Dabei hat er gleich vier Gegenspieler in seiner Nähe. Dafür ist City am langen Pfosten umso besser aufgestellt. Mit fünf Spieler überlädt das Gästeteam aus Manchester den zweiten Pfosten und hat dadurch eine Überzahl gegen die vier Verteidiger.
Manchester City flankt den Ball folglich auf den langen Pfosten und kommt – auch dank der Überzahl – zum Abschluss.
6. Gurreiro überrascht die Hintermannschaft der Bremer
Die letzte Freistoßvariante lässt sich am besten in Form eines Videos nachvollziehen. Dabei sollte vor allem auf den Freistoßschützen Gurreiro geachtet werden.
Die entsprechende Szene befindet sich in dem Video von 1:17 bis 1:37.
Der Linksverteidiger der Dortmunder läuft zunächst über den Ball und deutet einen kurzen Laufweg in die Tiefe an, dreht dann aber wieder in einem lockeren Tempo in Richtung Ball ab. Es erwägt auf den ersten Blick den Anschein, dass eine einstudierte Freistoßvariante abgebrochen wurde und doch Reus den ruhenden Ball vors Tor schlagen soll.
Jedoch überrascht Gurreiro die Verteidiger von Werder Bremen, indem er kurz vor dem Ball ein paar schnelle Schritte macht und den Ball sehr ansatzlos vors Tor flankt. Die einlaufenden Dortmunder waren mit großer Sicherheit in dieses Vorgehen eingeweiht, wodurch sich die Dortmunder einen Gedankenvorsprung verschafft haben. Folglich konnte sich Paco Alcácer von den Gegenspielern ausreichend absetzten und den Ball ungestört zum 1:0 ins Tor köpfen.
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